Anfang der 30er Jahre verfügte Engelsdorf über 55 Vereine. Einige davon existierten schon vor der Jahrhunderwende. Eine der der ältesten war der Allgemeine Turnverein Sommerfeld.


120 Jahre ehemaliger Turnverein Sommerfeld - ATV-Sommerfeld e.V.


Die Gründung des Vereins


Die Gründung des ATV Sommerfeld fällt in das Jahr 1893. Das Vereinsregister im Archiv der Gemeinde Engelsdorf könnte dies bestätigen. Der Verein würde also dieses Jahr auf 120 Jahre Existenz zurückblicken, wenn nicht der 2. Weltkrieg und dessen Folgen das Vereinsleben in den 40er Jahren völlig erlahmen ließen. Nach 1945 war es dann auch nicht mehr möglich, das Wirken in den Vereinen wieder aufleben zu lassen.


Vereinscharakter


Der Verein trug bürgerlichen Charakter. Seine Mitglieder entstammten allen Schichten der Bevölkerung des Ortes- deswegen auch das „A“ für allgmein. In seinen Reihen fühlten sich Arbeiter, Beamte und Angestellte ebenso wohl wie die Bauern, Handwerker und Gewerbetreibenden. Toleranz und Zusammengehörigkeitsgefühl aller Mitglieder gehörte einfach dazu. Keiner wurde missachtet. Von entscheidender Bedeutung für den inneren Zusammenhalt im Verein war die Einteilung der Mitglieder in einzelne Riegen. Sie erfolgte ganz zwanglos in Altersgruppen. So fanden sich zur damaligen Zeit die 40-50jährigen und älter in der Riege „Eichenkranz“, die 30-40jährigen in der Riege „Sturmfels“ und die 20-30jährigen in der Riege „Frisch auf“ zusammen, während die 15-20jährigen sich in die Jugendriegen „Friedrich Ludwig Jahn“ und „GutsMuths“ eingruppierten.


Neuer Sportplatz am Jahnweg


Der Austragungsort der Vergleichskämpfe im Umfeld der alten Turnhalle in der Waldstraße (jetzt Hussitenstraße) reichte aber bald nicht mehr aus, so dass der Verein Ende der zwanziger Jahre sich entscheiden musste, dafür einen geeigneten neuen Platz zu bauen. Nach zweijähriger Bauzeit wurde der Sportplatz an der Jahnsiedlung im Jahre 1932 fertig gestellt und konnte eingeweiht werden. Es standen nun den Handballern zwei Spielfelder und der Faustballabteilung ein Spielfeld zur Verfügung, so dass die Spielabteilung der Abteilung Turnen und Gymnastik zahlenmäßig sehr bald den Rang ablief. Außerdem entstanden für die Leichtathleten eine gut ausgebaute 400m Laufbahn, zwei Weitsprung-, eine Hochsprunggrube sowie ein Platz für das Kugelstoßen.


Training


Es gab in einigen Bereichen des Ortes kaum ein Kind und Jugendlichen, der dem Verein nicht angehörte. Entsprechend groß war auch das Vertrauen der Eltern zu den Übungsleitern in der Kinder und Jugendabteilung, von denen sich besonders die Turnfreunde Fritz Metzner und Otto Kölbel mit ihren Helfern große Verdienste erwarben. Sie setzten sich in selbstloser Weise –neben ihrer beruflichen Tätigkeit- für die Betreuung der Kinder und Jugendlichen ein, bauten sie körperlich auf und gaben ihnen moralischen Halt. Gleiches gilt auch für die Betreuung der Mädchen und weiblichen Jugend. Hier muß man besonders Else Berndt erwähnen. Turnfreund Arthur Schmidt begleitete die gymnastischen Übungen der Frauen und Mädchen mit seinem Bandonion. Zu besonderen Anlässen des Vereins wurden dann die eingeübten Tänze und turnerischen Übungen der Bevölkerung des Ortes dargeboten. Höhepunkte waren dabei immer das Frühjahrs- und Herbstvergnügen im Fortunapalast beim Gastwirt Albert Schweitzer. Das eindruckvollste Ereignis war immer das große Schauturnen im Sommer eines jeden Jahres.


Festveranstaltung mit Umzug durch Sommerfeld und Schauturnen


Ernst Schumann Festumzug auf dem Arnoldplatz

Hauptattraktion dieser Veranstaltung war am Nachmittag der große Festumzug, angeführt von der Schalmeienkapelle, der Traditionsfahne und dem Vorstand des Vereins mit seinem Vorsitzenden, dem Schmiedemeister Ernst Schumann. Es folgte die zahlenmäßig starke Kinder- und Jugendabteilung und dahinter, alle in weißer Sportfestkleidung, die Abteilung der Erwachsenen. Den Abschluss des Zuges bildeten immer die Kleinsten des Vereins auf einem schön geschmückten Festwagen. Der Zug führte durch fast alle Straßen des Ortes.

Auf dem Festplatz folgten nun die eingeübten turnerischen Vorführungen der jeweiligen Altersklassen. Den Abschluss am Nachmittag bot die 1. Handball-Herrenmannschaft mit einem Spiel gegen die extra eingeladenen Gegner aus dem Gau Sachsen. Als Ausklang des Festes sollte ein Laternenumzug stattfinden. Stellplatz war die Waldstraße (Hussitenstraße). Der Zug nahm seinen Weg rund um den Arnoldplatz, vorbei am großen Teich, dessen Fontäne, von einem Scheinwerfer angestrahlt, in den verschiedensten Farben aufleuchtete. Nach gelaufener Schleife löste sich der Zug dann auf. Für die jungen Leute fand aber der krönende Abschluss des Tages im „Fortunapalast“ beim Sommernachtsball statt.

Die Stammkneipen der Riegen


Schließlich und endlich sollte aber auch die Geselligkeit innerhalb des Vereins nicht zu kurz kommen. Fast jede Riege hatte sich eine Stammkneipe auserkoren. Favorit war dabei der „Albertpark“ vom Seidel Schorsch, denn er servierte jeden Freitagabend sein Frischgeschlachtete vom Schwein, was bei vielen - schon beim Darandenken - das Wasser im Munde zusammenfließen ließ. Im Gasthof „Goldener Stern“ von Albin Dietze, versammelten Sich größtenteils die Frauen die Frauen und im „Fortunapalast tagten turnusmäßig alle Ausschüsse des Vereins. Durch die geschickte Aufteilung kam eigenlich kein Gastwirt zu kurz, und das war-im Hinblick auf die Konkurrenz-auch gut so. Wie wertvoll die Arbeit der Riegen war, zeigte sich besonders in Krisenzeiten der beiden Jahre 1931/32 mit einer Arbeitslosenzahl vo ca. 6Millionen. Viele jungen Sommerfelder waren von der Arbeitslosigkeit betroffen. Sie waren aber fast alle im Verein integriert und überstanden somit die Misere weitaus besser als diejenigen, die sich allein gelassen fühlten.

ATV-Sommerfeld zum Gaufest 1932 in Leipzig
Fortuna-Palast

Am östlichen Ortsausgang, in Richtung Wurzen, entstand 1912 diese moderne Tanzgaststätte, der "Fortuna-Palast". Der Eigentümer war Hermann Böhme. Das gesamte Gebäude beherbergte einen großen Saal mit Bühne, einen Gastraum, ein Cafe, einen Veranstaltungsraum sowie einen Freisitz. Auch gab es einige Fremdenzimmer. Ende der 20er Jahre übernahm Max Schweizer die Bewirtschaftung des "Fortuna-Palastes" Wöchentlich fanden hier Tanzveranstaltungen statt, die bei der einheimischen Bevölkerung sehr beliebt waren. Bei dem Luftangriff auf Sommerfeld, am 20.Oktober 1943, wurde der Fortunapalast fast völlig zerstört. Ein kleiner Teil des Gebäudekomplexes blieb erhalten und wurde als Gaststätte bis Anfang der 70er Jahre von einer Frau Krause weitergeführt. Irgendwann riß man dann die Ruinen ab. Der "Fortuna-Palast" befand sich an der alten B6, ca. 100m von der jetzigen JET-Tankstelle entfernt auf der rechten Seite. Auf diesem Gelände befindet sich jetzt eine Grünfläche.


Quellen:
Kurt Ackermann
Lutz Hempel