Historie VIII

RAW II

Die Weltwirtschaftskrise 1929 verschärfte auch die Lage der deutschen Wirtschaft.Millionen Arbeiter hatten keine Arbeit, die Not war ohne Beispiel. Viele Betriebe gingen Pleite. 1933 kamen die Nazis an die Macht. Damit verbunden waren umfassende Veränderungen auch bei der Deutschen Reichsbahn sowie in den Ausbesserungswerken. Systematisch wurden die Anforderungen an die Belegschaft erhöht. Keiner glaubte dass 6 Jahre später von Deutschland wieder ein Krieg ausgehen sollte. Hitlers Ideologie fiel in der wirtschaftlichen Krisenzeit auf fruchtbaren Boden. Mit Hilfe der Deutschen Reichsbahn wurden auch Autobahnen gebaut und die Deutsche Reichsbahn modernisiert. Die bisherigen Lokreparaturen gingen an andere Werke. 1935 wurde die erste Güterzuglok der Baureihe 52 angeliefert. 1940 genehmigte man den Bau einer neuen Kesselschmiede. Die Halle wurde parallel zur bisherigen Richthalle gebaut. Sie ging 1942 in Betrieb. Die Lokkessel wurden nun im Fließverfahren ausgebessert, die Kessel wanderten innerhalb der Halle von Stand zu Stand.
1933 waren noch 7 Millionen Deutsche ohne Arbeit, Ende der 30er Jahre war das längst Vergangenheit. Es gab wieder Arbeit und Aufträge, Lehrlinge wurden ausgebildet aber- wie alle Eisenbahner überhaupt - im nazistischen Sinne erzogen. Mit Beginn des 2.Weltkrieges 1939 brachte einschneidende Verschlechterungen für die Belegschaft des RAW mit sich. Die tägliche Arbeitszeit betrug jetzt bis zu 10 Stunden. An Sonn- und Feiertagen musste gearbeitet werden. Mit dem Inkrafttreten der Dienstpflichtverordnung konnte die Leitung des Werkes praktisch jeden unbequemen Arbeiter zum Wehr- oder Arbeitsdienst zwangsverpflichten lassen. Die Lücken wurden durch Frauen ausgefüllt, die ebenfalls dienstverpflichtet waren. Der Krieg brauchte immer mehr Menschen für die Front. Als Ersatz kamen vor allem französische und englische Kriegsgefangene. Täglich wurden die Arbeiter durch das Heulen der Sirenen in die Luftschutzkeller getrieben. Bei dem Angriff am 07. Juli 1944 traf eine Bombe den Luftschutzkeller an der Nordseite der Schiebebühne der Wagenwerkstatt. Dieser Angriff kostete 48 Mitarbeitern das Leben.

Je länger der Krieg dauerte, umso mehr Opfer forderte er. Auch viele Engelsdorfer Familien trauerten um ihre gefallenen Angehörigen. Für die wachsende Zahl der verwundeten Soldaten wurden überall Reserve-Lazarette eingerichtet. So auch im großen katholischen Kinderheim St. Gertrud in der Althener Straße. Zuvor musste dieses alle Kinder entlassen. Nur die Schwestern sollten bleiben. Sie übernahmen die Pflege der Verletzten. Engelsdorfer Frauen und Mädchen verstärkten dabei die Reihen der Karmelitinnen bei der Bewältigung dieses humanen Einsatzes

Am 10.April 1945 wurde das Werk durch alliierte Bomber zu 85% zerstört. Die Lokwerkstatt, die Wagenwerkstatt, die Kantine, die Lehrwerkstatt sowie die Außenanlagen waren nicht mehr wieder zu erkennen. Die Nazi-Diktatur wurde besiegt, doch ihre Folgen waren verheerend. Deutschland hatte den schrecklichsten Krieg des 20.Jahrhunderts verloren. Die durch direkte Kriegseinwirkungen Getöteten werden auf 56 Millionen Menschen geschätzt.


Zerbombter alter Wasserturm Zerstoerte Lokhalle


Reparationen waren zu zahlen.Dabei demontierten die Sieger ganze Werke. 11000 km Gleise wurden völlig abgebaut. Was elektrifiziert war, wurde rückgebaut, die E-Loks und Maschinen Richtung Osten abgefahren. 60% aller Loks waren zerstört, mehr als 100 000 Güterwagen beschädigt oder vernichtet.


Der mühselige Wiederaufbau der Eisenbahnanlagen begann bereits 1945. Ende 1946 sind die wichtigsten Hauptstrecken wieder befahrbar. Tausende von Kilometern Gleis, unzählige Brücken, Fernmeldeanlagen, Lokomotiven, Güter- und Reisezugwagen sind repariert und den damaligen Umständen entsprechend einsatzfähig gemacht worden.
Kesselschmiede Personenwagen-Flie�gang Lokwerkstatt Schwerpunkte des Aufbaus in den Jahren nach 1945 waren die Wiedernutzbarmachung der Kesselschmiede, die Wiederherstellung von Schleusen und Rohren, die Inbetriebnahme des Kesselhauses, die Nutzung des großen Schornsteins, die Nutzbarmachung von Teilen der zerstörten Schmiede, der Lokomotivhalle, der Wagenwerkstatt, der Tenderwerkstatt, des Anheizschuppens und der Pressluftversorgung. Weiterhin musste ein neuer betriebseigener Wasserturm aus dem Boden gestampft werden. RAW-Wasserturm in Bau RAW-Wasserturm in Bau In den Jahren 1950 -1952 entstand somit der achteckige Klinkerbau von 34 Metern Höhe. Der wie ein Hochhaus aussehnende Wasserturm gilt als erstaunliches Bauwerk. Er fasst 400 Kubikmeter Wasser, wobei sich der Behälter in 22 Metern Höhe befindet. Im unteren Bereich richtete man zugleich Büroräume ein. Gefördert wurde das Wasser aus 30 Metern Tiefe. Bald schon versorgte der Turm das gesamte Werk mit Wasser

Ausgebessert wurden nach dem Kriege preußische und sächsische Personenzugwagen und gedeckte Güterwagen. Im Laufe der Zeit erweiterte sich die Produktion. Die Werkhalle wurde wieder aufgebaut, Kollegen brachten Werkzeug von zu Hause mit, damit überhaupt gearbeitet werden konnte. Zentrale Aufgabe des RAWs war es immer, Lokomotiven zu reparieren. Direkt nach dem Krieg war dies angesichts der Zerstörung des Werkes nicht möglich. Daher wurden Werksangehörige in andere Leipziger Bahnwerke geschickt, um dort Lokomotiven zu reparieren. Währenddessen wurde im Engelsdorfer Werk aufgeräumt und wichtige Maschinen für die Lokomotivreparatur nutzbar gemacht.

Im September 1945 konnte die Schiebebühne wieder bewegt werden. 30 - 40 Kollegen mussten diese mit manueller Kraft schieben! Materielle Versorgungsprobleme und die harten Winter der Nachkriegsjahre machten den Arbeitern zu schaffen. 1955 wurde ein umfangreiches Rekonstruktionsprogramm beschlossen, modernisierte Dampfrösser verließen den Betrieb. 1966 konnten 550 Dampflokomotiven ausgebessert werden. Die Deutsche Reichsbahn stand unter Druck und setzte mehr und mehr Diesel-und Elektrolokomotiven ein.

Das RAW stellte die Reparatur von Dampflokomotiven ein und am 17. November 1967 fuhr die letzte reparierte Dampflok mit den ersten zehn neugebauten Güterwagen aus der Lokrichthalle. Danach begann die konzentrierte Erschaffung von Güterwagen, 1968 waren es bereits 1000 Stück des Typs Gbs. Kessel- und Containerwagen kamen hinzu. Bananentransportwagen wurden entwickelt, ab 1977 wurden keine Kesselwagen mehr hergestellt. Die letzten zehn Jahre im RAW verliefen wie in fast jedem größeren DDR-Unternehmen. Immer wieder versuchten Menschen das Land zu verlassen, immer wieder wurde politisch agitiert, immer weniger Arbeiter glaubten an das, was gesagt wurde. Auch das Ausbesserungswerk Engelsdorf steuerte auf die politische Wende zu. Die Übernahme durch die westdeutsche Bahngesellschaft brachte den Anfang vom Ende.

Zur Auftragsbeschaffung wird 1990 im RAW eine Vertriebs- und Marketinggruppe gebildet. Die Leitung des RAW organisiert erstmals eigenständig Aufträge. Die Instandsetzung gedeckter Güterwagen und Postwagen der Deutschen Reichsbahn wird übernommen. Bis 1993 repariert man Bahnpostwagen. Dennoch ist nicht für alle Mitarbeiter ausreichend Arbeit vorhanden. 605 Mitarbeiter verlassen 1990 das Werk. Ende 1992 wird in den Dienstberatungen der Bereiche von einem Zusammengehen der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Reichsbahn gesprochen.Es wird deutlich, dass sich dies auch auf die Zahl der Mitarbeiter auswirken wird.

RAW-Wasserturm

1990 setzen in den Großbetrieben Massenentlassungen ein. Allein im RAW mussten in dem Jahr 600 Mitarbeiter gehen. 1989 verfügte der Betrieb noch über 2300 Beschäftigte Das Werk war in den folgenden Jahren erheblichen Umstrukturierungen ausgesetzt. Im Ergebnis der Strukturanpassung erarbeitet die Bahn 1993 eine "Langfristige Werkordnung". Konsequenz: Das Werk soll 1997 geschlossen werden. Wieder scheiden 483 Mitarbeiter aus.1994 müssen weitere 500 Beschäftigte das Werk verlassen. Eine Schließung wird jedoch abgewendet. Eine Investorengruppe übernimmt das Werk Leipzig-Engelsdorf. Im Jahr 2001 wird die LRS Leipzig Rail Service GmbH gegründet. Am 01.01.2002 gehen 151 Mitarbeiter in die neue Gesellschaft über. Inzwischen gehört die LRS zur schwedischen EuroMaint Gruppe.