Historie X

Schulzeit

Kinder - und Jugendjahre sind ein prägender Zeitabschnitt unseres Lebens. Jeder bemühte sich seinen Weg zu finden. Trotz gleichen Schulumfeldes, verlief dieser unterschiedlich. Dabei spielten Elternhaus, Freunde und Erfahrungen eine große Rolle. Eines hatten wir gemeinsam: das Leben lag vor uns denn wir waren sehr jung. Die Klassentreffen, bei denen wir Rückschau halten, sind Ausdruck unserer Zusammengehörigkeit dieser vergangenen Lebensphase.



Anfang September 1957 begann für uns der Schulalltag in der Sommerfelder Schule. Die obligatorische Zuckertüte war damals mit selbst gebackenen Plätzchen gefüllt. Unsere Schule befindet sich an der alten B6. Sie wurde 1892 erbaut und wird jetzt als Förderschule genutzt. Sie diente mehreren Generationen aus Sommerfeld als Einstieg in die Schulzeit.


Unsere Schulbänke waren uralt. Auf den Tischplatten konnte man noch die Vertiefungen für die Tintenfässer sehen,die aber bei uns nicht mehr benutzt wurden. Die ersten Buchstaben schrieben wir nicht mehr auf die Schiefertafel, sondern mit spitzen Bleistift in unseres erstes Schreibheft Als das erste Schuljahr ein Stück fortgeschritten war, durften wir dann mit dem Füllfederhalter schreiben.

Die Bänke waren natürlich voller Tintenflecke und Kritzeleien, die Löschblätter erst recht. Es machte einfach Laune den Federhalter an ein rosa Löschblatt zu halten und zuzuschauen, wie die Tinte vom Papier aufgesogen wurde. Der Tintenklecks spielte bei uns eine besondere Rolle: Der Klecks in einer Arbeit drückte die Zensur für das Äußere. Tinte ließ sich nicht ausradieren. Wer es mit Gewalt versuchte, riskierte, anschließend ein Loch in der Seite zu haben. Lesen können war eine völlig neue Erfahrung. Es war schon faszinierend, auch außerhalb der Schule immer mehr entschlüsseln zu können. Die Schriftzüge an Geschäften oder Hauswänden erlangten jetzt eine Bedeutung. Damals in den 1950er und 1960er Jahren waren noch die Buchstaben LS oder LSR für Luftschutzraum weit verbreitet.


Die stärksten Erinnerungen an das erste Schuljahr sind die Gerüche im Schulhaus. -der geölte Holzfußboden, Kreide, Schwamm und nicht zuletzt die Küchengerüche die mittags durch das Schulhaus zogen. Küche und Speiseraum befanden sich im Keller. Dort nahmen wir mittags unser Essen ein. Der Speisplan war weniger abwechslungsreich. Wir haben aber nie gemurrt, wir kannten Hunger noch. Auch die Pausenverpflegung für Kindergarten und Schule in Form von belegten Broten aßen wir immer auf. Eine "Fettbemme" war damals ein Leckerbissen. Schokoriegel und Ähnliches gab es damals natürlich nicht. In den ersten 3 Jahren war Frau Peege unsere Klassenlehrerin, eine freundliche Frau die gut mit uns Rackern umgehen konnte. Es gab aber, wie in jeder Schule, auch sehr strenge Lehrer. In der Sommerfelder Schule waren es zu unserer Zeit Herr Raabe, Herr Koch und Herr Heß. Herr Koch war in der sechsten Klasse unser Klassenlehrer. Mit ihm stand ich auf Kriegsfuß. Während des Unterrichts klappte ihm einmal sein oberer Zahnersatz herunter. Ich musste fürchterlich darüber lachen. Herr Koch informierte natürlich meine Eltern und ich bekam von meinem Vater eine gewaltige "gescheuert".


Alle Schüler sollten möglichst Mitglied der Pioniere werden. Vielen Eltern gefiel diese Nötigung ihrer Kinder nicht - sie hatten ja ähnliches schon im "Dritten Reich" erlebt, nur in einem anderen Farbton. Die schwarzen Halstücher waren von roten und blauen abgelöst worden. Bei den Pionieren ging es auch schon vor der Gründung der Nationalen Volksarmee militärisch zu. Montags früh war Fahnenappell. Alle Klassen mussten sich hufeisenförmig um den Fahnenmast im Hof hinter der Schule aufstellen. Der oberste Pionier begrüßte die Klassen mit: "Für Frieden und Völkerfreundschaft: Seid bereit!- "Immer bereit!" Für was auch immer. Dann wurde die Pionierfahne gehisst.


Da der Sommerfelder Schule die Kapazitäten für einen durchgängigen Schulbetrieb bis zur 10. Klasse fehlten, besuchten wir ab der siebenten Klasse die POS (Polytechnische Oberschule) in der Arthur-Winkler-Straße in Engelsdorf. In jener Zeit absolvierten geburtenstarken Jahrgänge ihre Schulzeit, so dass es pro Jahrgang bis zu 4 Klassen gab. Außerdem besuchten auch Schüler aus den Nachbarorten wie Mölkau, Baalsdorf und Hirschfeld die Schule.

Die Schule in Engelsdorf (jetzt Gymnasium) entstand 1906 auf dem sogenannten Richterfelde. Da sie aber auf Grund der stark wachsenden Industriegemeinde Engelsdorf bald nicht mehr ausreichte, errichtete man 1913 den Mittelbau mit Turm. Auch die Turnhalle, die heute Getränkemarkt ist, entstand zu jener Zeit. Die Schule beherbergte 28 Klassenzimmer in denen etwa 1000 Schüler unterrichtet wurden. Im Keller befanden sich die Toiletten, ein großer Duschraum, ein Speiseraum mit eigener Küche und ein öffentliches Wannenbad. Das Bad war über einen Seiteneingang zu erreichen und war auch zu DDR-Zeiten noch lange funktionsfähig. In den sechziger Jahren baute man einzelne Klassenräume zu Fachkabinetten um. So entstanden das Chemiezimmer, das Physikzimmer und das Russischkabinett.

In unserer Schulzeit war es noch möglich die Schule mit Abschluss der achten Klasse zu verlassen. Da davon einige Schüler Gebrauch machten, konnten die Klassen auf 3 pro Jahrgang dezimiert werden. Die Klassen bestanden dann aus ca. 30 Schülern.



Mit dem Wechsel in die Engelsdorfer Schule, begann auch der wöchentliche Unterrichtstag in der Produktion (UTP). Er komplettierte die Fächer ESP (Einführung in die sozialistische Produktion) und TZ (Technisches Zeichnen) um eine praktische Komponente. Nach einigen Monaten Ausbildung in der Lehrwerkstatt , wurden wir in den Werkhallen des RAW Engelsdorf herumgereicht. Dort kamen wir mit diversen Arbeitsgängen bei der Reparatur von Waggons in Berührung, was nicht unbedingt von Nachteil war. Höhepunkt der 8.Klasse waren die Konfirmation oder die Jugendweihe. Da die Hälfte der Klasse zu der damaligen Zeit noch die Konfirmation vorzog, versuchte uns die Schulleitung die Jugendweihe schmackhaft zu machen. Natürlich ohne Erfolg. Einige absolvierten aber Jugendweihe und Konfirmation, bloß um später nirgendwo anzuecken.




Nervig war der Staatsbürgerkundeunterricht der uns ab der 9.Klasse aufgedrückt wurde. Inhalte waren die Marxistische Philosophie, Politische Ökonomie des Sozialismus u. Kapitalismus usw. Der Staatsbürgerkundeunterricht sollte den Schülern ein "gefestigtes Klassenbewußtsein" und das "Bekenntnis zum Arbeiter-und-Bauern-Staat" vermitteln. Diskussionen über die uns beizubringenden utopischen Parolen wurden abgewürgt oder liefen ins Leere. Wer das alles schön nachbeten konnte bekam im Fach Staatsbürgerkunde ein "sehr gut" aufs Zeugnis.

Beliebt bei den Engelsdorfern waren die Schul- und Heimatfeste, die in den fünfziger und sechziger Jahren, aber auch schon im "Dritten Reich" stattfanden. Sie wurden mit Umzug durch Engelsdorf, Tanz im Freien und Rummelplatz auf dem Engelsdorfer Schulhof und abschließenden Feuerwerk gefeiert.



Im Sommer 1967 ging die Schulzeit mit den Prüfungen zur mittleren Reife zu Ende.









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