Mit der Erfindung der Dampfmaschine durch Thomas Newcomen um 1712 und ihrer Weiterentwicklung durch James Watt und Richard Trevithick ergaben sich bald Versuche, diese auch zum Antrieb von Fahrzeugen zu nutzen. 1804 baute dann Richard Trevithick die erste auf Schienen fahrende Dampflokomotive. Sie erwies sich als funktionsfähig, doch die für ihr Gewicht nicht ausgelegten gusseisernen Schienen zerbrachen unter dieser Lokomotive.George Stephenson gilt als der eigentliche Erfinder der Eisenbahn. Geburtsjahr der Eisenbahn ist das Jahr 1825. Stephenson errichtete eine 18 km lange Strecke zwischen Darlington und Stockton. Am 7. Dezember 1835 fuhr erstmalig zwischen Nürnberg und Fürth die Lokomotive Der Adler. Sie war bereits die 118. Maschine aus der Lokomotivenfabrik Robert Stephensons und stand unter Patentschutz.
Die erste brauchbare in Deutschland gefertigte Lokomotive war die „Saxonia“.Sie wurde in der Maschinenfabrik Dresden/Übigau von Professor Schubert entwickelt und eröffnete am 7.April 1839 die Gesamtstrecke Leipzig - Dresden. Gezogen wurde der Eröffnungszug jedoch nicht von der Saxonia, sondern von 2 englischen Lokomotiven. Die Saxonia fuhr hinterher. Am 24.April 1837 eröffnete die Eisenbahngesellschaft die Teilstrecke von Leipzig nach Althen. Der Zug wurde von einer Maschine mit dem wohlklingenden Namen „Blitz“ gezogen.
Um 1859 hatte sich Leipzig schon zum bedeutenden Eisenbahnknoten entwickelt. Die in den ersten Jahren der Eisenbahnhistorie errichteten Bahnhöfe erreichten die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit sowohl in der Güterabfertigung als auch in der Personenbeförderung. Die bisherigen Einzelbahnhöfe, bekannt als Berliner, Dresdner und Magdeburg-Thüringer-Bahnhof, wurden zum Leipziger Hauptbahnhof in seiner heutigen Form zusammengeschlossen.Der Abriss der alten Bahnhöfe zog sich von 1907 bis 1913 hin.
Durch den geplanten Bau des Hauptbahnhofes musste als erstes das damalige Eisenbahnwerk Leipzig II am Dresdner Bahnhof verlegt werden, damit die Bauarbeiten am Hauptbahnhof im Jahre 1902 beginnen konnten.
Engelsdorf bot sich, dank seiner vielen brach liegenden Flächen und seiner Nähe zu den bereits vorhandenen Bahnlinien, an. Diese Flächen ließen sich nach Belieben erweitern. So wurde der Beschluss gefasst, das neue Eisenbahnwerk in Engelsdorf zu errichten
Besaß Engelsdorf bis dahin ein eher ländliches Gepräge, so änderte sich das im Laufe der folgenden Jahre und Jahrzehnte enorm.
Im November 1905 wurde das Elektrizitätswerk in Leipzig-Connewitz errichtet. Das RAW Engelsdorf und die gesamten Engelsdorfer Anlagen bekamen von hier den Strom für Maschinen und Beleuchtung. Allerdings geschah das erst nach dem Jahre 1909.
Durch die kontinuierliche Erweiterung der Bahnanlagen Anfang des 20.Jahrhunderts, war auch
der Bedarf an Personal sehr groß.
Um den Beschäftigten der Werkstätten eine Wohnung in der Nähe ihrer Arbeitsstätten
Bieten zu können, gründete sich 1909 die Baugenossenschaft für die Eisenbahnbediensteten
in Leipzig-Engelsdorf e.G.m.b.H.
206 voraussehende Männer versammelten sich am 15.05.1909 im Alten Gasthof zu Paunsdorf
und hoben eben diese Gesellschaft aus der Taufe. Sie wurde als erste sächsische Eisenbahnerbau-
genossenschaft am 09.08.1909 auf Blatt 68 des Genossenschaftsregisters eingetragen.
Sofort nach der Gründung wurde auf Engelsdorfer Flur ein etwa 58.000 qm großes Gelände erworben. Die Grundsteinlegung zu dem ersten Hausbau fand am 24.7.1910 statt. An dieser Feier nahmen Vertreter der Eisenbahn und der Gemeinde teil. Der Grundstein mit Urkunde liegt unter dem Eckpfeiler links der Ladentür des heutigen Geschäftes Klingerstraße 1. Die größte Leistung in der Bauausführung kam hierbei dem Engelsdorfer Baumeister Günther zu Gute, der ganze Straßenzüge wachsen ließ. Baumeister Günther sicherte sich in Engelsdorf etliche Baugrundstücke, wurde zum engsten Vertrauten des Bürgermeister Arthur Winklers, dem ersten offiziellen Bürgermeister . Die Investitionen der Reichsbahn sorgten für eine extreme Belebung des Baugeschäftes. Günther schuf viele Wohnungen für die Baugenossenschaft, das dazugehörige Gaswerk, Bauten im Bahnwerk, ganze Straßenzüge. Wie bereits an anderen Stellen erwähnt, baute er auch das Kinderheim für die Katholische Kirche. Daneben folgte der Bau vieler Eigenheime, Werkstätten und öffentlicher Gebäude.
Am Haupteingang, etwas abseits von den Werkstätten, stand das Verwaltungsgebäude,
der Arbeiterspeise-
saal mit Gastwirtschaft sowie gegenüber die 5 Doppelwohnhäuser
für 150 Arbeiterfamilien sowie ein Beamtenwohnhaus.
Um die Wohnhäuser, den Verschiebebahnhof und den Werkstättenbahnhof mit Wasser zu versorgen, wurde ein Wasserturm errichtet. Den Wasserturm zerstörten kurz vor Kriegsende
amerikanische Bomber.
In den ersten Jahren nach dem Ersten Weltkrieg wurde im RAW in zwei Schichten und nur nach Zeitlohn gearbeitet. Da die Leistungen der Belegschaft jedoch nicht den Vorstellungen der Werksleitung entsprachen, wurde mit der Einführung der "Achsen-Prämien" in der Wagenwerkstatt begonnen, einer Antreiber-Prämie für das Aufsichtspersonal in Höhe von 0,25 Reichsmark pro fertiggestellten Wagen. 1920 wurde dann das Fließverfahren in der Produktion eingeführt und im Zuge der Mechanisierung wurden Elektro- und Pressluftwerkzeuge für die Kesselschmiede beschafft. Bei der Einführung dieser Pressluftwerkzeuge stieß man auf großen Widerstand in der Belegschaft der Lokwerkstatt, wo damals die Kesselschmiedearbeiten durchgeführt wurden. Durch den großen Lärm, den die Pressluftwerkzeuge verursachten, konnten es die Arbeiter kaum noch aushalten, unter solchen Zuständen zu arbeiten. Die Leitung gab nach und ließ die Lokomotiven, an deren Kesseln mit Pressluftwerkzeugen gearbeitet wurde, mit Planen abdecken, so dass ein gewisser Schallschutz erreicht wurde. Außerdem trieb man den Bau einer Kesselschmiede voran.
Im Verlauf der weiteren Modernisierung des Betriebes, wurden alle Spezialisten zusammengefasst und selbständige Meisterein gebildet, die bis in die jüngste Zeit erhalten blieben. Radsatzdrehbänke und andere Drehmaschinen, die zum Teil schon über Einzelantrieb verfügten, wurden angeschafft und damit eine zentrale Maschinenmeisterei notwendig.
Trotz der Modernisierung blieben für die Arbeiter die Arbeitsverhältnisse in der gleichen Härte und Schwere bestehen. Da die Ausbesserungswerke untereinander im stillen Konkurrenzkampf standen und jedes Werk das beste sein wollte, konnte dies nur unter der mit allen Mitteln durchzusetzenden Erhöhung der Arbeitsproduktivität erfolgen. Die Stoppuhr hielt im Werk Einzug, das Gedinge-System wurde eingeführt, bei dem die Leistung der Arbeiter nach Zeitbedarf eingeschätzt wurde.
Rings um das Werk wuchs die Bahn und ihr Einfluss auf die Entwicklung des Ortes Engelsdorf. Wie an anderer Stelle beschrieben, wurde der Wohnungsbau für die Bahnbeschäftigten vorangetrieben, die Wohnungsgenossenschaft gegründet. Straßen wurden vervollkommnet, Läden und Geschäfte entstanden, die goldenen Zwanziger trieben die Entwicklung unserer Ortschaften voran, viele Bauleistungen im RAW wurden durch ortsansässige Unternehmer, wie den Baumeister Günter durchgeführt. In diesem Zuge und dem ständigen Kapitalfluss entwickelte sich das Engelsdorfer Bahnwerk zu einem der größten seiner Art.
Zur Erweiterung des besseren Produktionsverfahrens wurde eine Autogenschweißerei eingerichtet, wobei sich als Spezialfach das Kupferschweißen an Lokomotiv-Feuerbuchsen herausbildete. Kurze Zeit darauf wurde vereinzelt mit dem Elektroschweißverfahren begonnen. Die große elektrische Schiebebühne entstand, ein Satz Hebeböcke mit elektrischem Gruppenantrieb wurde für die Lokwerkstatt beschafft.
In der Radsatzdreherei wurden fahrbare elektrische Kräne montiert. Die Lok- und Wagenwerkstatt wurden vergrößert und mit Holzfußböden ausgelegt, die Wagenwerkstatt mit einer elektrischen Schiebebühne ausgestattet. Um die Kapazität des Kesselhauses zu erhöhen, wurde dieses durch den Einbau von zwei weiteren, deutlich größeren Kesseln erweitert. Zur Bereitstellung der erforderlichen Pressluft wurde ein Kompressor beschafft. Dies alles führte dazu, dass die Leistungen des Werkes Engelsdorf, vor allem in der Lok-Ausbesserung, ständig anstiegen. Rings umher ging die Wirtschaft in vielen Ländern baden, die Weltwirtschaftskrise reifte heran. Es wurde weniger benätigt, als die Kapazitäten des Werkes nunmehr schaffen konnten, die fortgesetzte Modernisierung führte zur Verringerung des Personalbedarf, auch in Engelsdorf kam es zu Massenentlassungen und Kurzarbeit. Immer häufiger sind die Wahlzettel und Erklärungsversuche der NSDAP zu lesen und zu hören, immer häufiger schiebt sich ein Mann in den Mittelpunkt des wirtschaftlichen und politischen Lebens: Adolf Hitler. 1923 zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt und mit samt seiner NSDAP verboten, schob sich Hitler wieder an die Spitze der gewählten Partein. Seine Versprechen waren zu einleuchtend, Spitzen der Wirtschaft, wie Franz von Papen und der Reichspräsidenten Hindenburg unterstützen Hitler. Die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiter Partei gewann die Wahlen am 6. November 1932, blieb stärkste Partei im Reichstag, vereinigte alle rechten Gruppierungen und stellte sich an die Spitze der Arbeiter, vereinte jedoch mit ihnen erstmals auch viele Wirtschaftsfunktionäre. Auch im Bahnwerk fanden sich plötzlich jede Menge Anhänger der neuen, aufstrebenden Regierungspartei.